Feb. 2017 Diversitäts-Studie / Diversity Study
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Untersuchung der Programmdiversität der Internationalen Filmfestspiele Berlin von 1980 bis 2016

In Kooperation mit dem Lehrstuhl Medienwissenschaft an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München sowie dem Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München hat Medienwissenschaftlerin und Strategieberaterin Tanja C. Krainhöfer gemeinsam mit ihren Kollegen Dr. Thomas Wiedemann und Konrad Schreiber eine Studie zur Untersuchung der Programmdiversität der Internationalen Filmfestspiele Berlin erarbeitet.
Sie schließt damit an die 2016 erschienene Studie „Frauen zeigen ihr Gesicht, Männer ihre Filme“ an. Beide Studien reihen sich ein in die Gender-Forschung am Medienwissenschafts-Lehrstuhl der HFF München.

HFF-Präsidentin Prof. Bettina Reitz: „Festivals sind und bleiben auch in Zeiten des digitalen Wandels und des im digitalen Raum stattfindenden Austauschs eine zentrale Plattform für Filme von Studierenden und Alumni der deutschen Filmhochschulen. Hier vereinen sich das gemeinsame Seh-Erlebnis, der anschließende Dialog und natürlich die Anwesenheit der nationalen wie internationalen Branche, die über die spätere Auswertung der Filme entscheiden – deshalb ist es nur konsequent, dass wir als Filmhochschule die Entstehung einer solchen Studie mit initiieren und unterstützen.“

Zentrale Ergebnisse

Um die Frage einer ausgewogenen Programm-Diversität zu beantworten, wurde das Berlinale-Programm von 1980 bis 2016 genauer untersucht. Der gewählte Zeitraum umfasst dabei sowohl die gesamte Ära von Festivaldirektor Moritz de Hadeln (1980 bis 2001) als auch die darauffolgende und bis heute andauernde Intendanz von Dieter Kosslick. Eingeflossen in die quantitative Analyse sind alle Kurzfilme, mittellangen Filme und Langfilme der wohl wichtigsten sechs Sektionen der Berlinale (Wettbewerb, Panorama, Forum, Kinderfilmfest, Perspektive Deutsches Kino und German Cinema bzw. Lola@Berlinale) aus 37 Jahren (n = 10.024).

Die Ergebnisse weisen unter anderem darauf hin, dass der deutsche Film in Umfang und Vielfalt in den letzten Jahren nicht die herausragende Position gewonnen hat, die mit den programmatischen Veränderungen angestrebt wurde. Außerdem zeigt sich, dass zwar die Zahl der auf der Berlinale präsentierten Produktionsländer über den Untersuchungszeitraum mehr als verdoppelte, es dessen ungeachtet aber immer noch blinde Flecken gibt (sowohl weltweit als auch in Europa). Den Ergebnissen ist zudem zu entnehmen, dass Filmwerke von Regisseurinnen in allen untersuchten Sektionen immer noch weit unterrepräsentiert sind. Dieser Befund gilt auch für die Filmbeiträge aus Deutschland, bei denen das ungleiche Geschlechterverhältnis seit Jahren sogar stagniert. Zum Vorschein kommt schließlich ebenso, dass deutsche Berlinale-Filme nur in Ausnahmefällen von Regisseuren aus den neuen Bundesländern stammen und auch der Zugang für den deutschen Regienachwuchs trotz der Sektion Perspektive Deutsches Kino sehr begrenzt ist.

Genderverteilung03a_Anteil von Fetsivalbeitraegen von Frauen in Prozent

Während der Anteil der von männlichen Regisseuren inszenierten Filmbeiträge seit den 1980er Jahren bis heute mit rund 150 internationalen und durchschnittlich 50 nationalen Produktionen pro Festivalausgabe weitgehend konstant blieb, brauchten weibliche Regisseure im internationalen Programm über drei Jahrzehnte, um überhaupt mit 50 Festivalbeiträgen pro Jahr vertreten zu sein. Noch bemerkenswerter ist, dass sich dabei zwar im internationalen Programm ein langsamer, aber stetiger Aufwärtstrend für den Anteil von Filmen von Frauen belegen lässt (von 14,95 Prozent im Jahr 1980 auf 28,69 Prozent im Jahr 2016), dass dieser Anteil im deutschen Programm allerdings seit über 20 Jahren bei meistens unter 30 Prozent stagniert.
Getrennt nach Sektionen zeigt sich, dass ein deutlich steigender Anteil von Regisseurinnen einzig in den Bereichen Kinderfilmfest/ Generation und Perspektive Deutsches Kino zu vermelden ist. Demgegenüber steht jedoch die Sektion Panorama, die seit Jahren bei plus/minus 25 Prozent stagniert, und gemeinsam mit dem Forum beim nationalen Programmanteil sogar einen Abwärtstrend verzeichnet.
Erfreulich zu verzeichnen ist mit Blick auf die beiden „Äras“ von Festivalleitern: Zwar sind Filme von Frauen im Wettbewerb bei beiden statistisch signifikant unterrepräsentiert, aber unter der Intendanz von Dieter Kosslick – und damit Heute – zeichnet sich ein deutlicher Anstieg der Frauenquote ab.

 

Verteilung des Ost-West-Hintergrunds im deutschen Programm05b_Entwicklung Ost-West-Regisseure_Langfilm

Die Analyse ergab drei Phasen in der Verteilung der Regisseure mit Ost-Hintergrund in den Jahren zwischen 1980 und 2016. Von 1980 bis 1990 findet sich eine wachsende Plattform für die Präsentation des ostdeutschen Films im nationalen Programmteil. Die zweite Phase von 1991 bis 2003 symbolisiert eine Zeit des Versuchs, auch weiterhin Ost-Filmemacher im Programm zu präsentieren. 2004 erreicht der Anteil an Regisseuren mit ostdeutscher Herkunft den absoluten Tiefpunkt, der sich auch in den Folgejahren insbesondere im Bereich der Langfilme im Programm nur geringfügig erweitert. Abgesehen von Ausnahmeregisseuren wie Andreas Dresen kommen Werke von Filmemachern mit „Ost-Wurzel“ faktisch nicht vor.

 

Altersverteilung im deutschen Programm04b_DE_Durchschnittsalter nationaler Regisseure_Langfilm

Eine Gegenüberstellung des Durchschnittsalters der zu den Festivalausgaben von 1980 bis 2001 eingeladenen Filmemacher zu jenen im Zeitraum zwischen 2002 und 2016 weist mit 43,03 Jahren zu 43,75 Jahren keine große Abweichung auf. Betrachtet man hingegen den Wettbewerb, so sind die Filmemacher in der ersten Periode mit durchschnittlich 48,30 Jahren deutlich älter als im zweiten Zeitraum (45, 38 Jahre).
Der Wert für das Durchschnittsalter in der Sektion German Cinema im Zeitraum von 2002 bis 2016 liegt mit 43,44 Jahren (bei einer Alterspanne von 26 bis 82 Jahren) allerdings deutlich höher als zwischen 1980 und 2001 (40,81 Jahre bei einer Alterspanne von 22 bis 78 Jahren). Und auch in der Perspektive Deutsches Kino (nur 2002 bis 2016) ist das Alter der präsentierten Nachwuchsregisseure mit 22 bis 54 (!) Jahren überraschend hoch.
Ein enormer Altersanstieg zeigt sich in Bezug auf das Langfilmprogramm von 1980 mit 38,72 Jahren zu einem durchschnittlichen Alter von 46,54 Jahren im Jahr 2016.